Schriftwechsel mir Dr. Dahm, Obersalzberg
2004/11
Im November 2004 kam es zu meinem Schriftwechsel
mit Dr. Volker Dahm, Mu00fcnchen, einem Mitherausgeber von
u201eDie tu00f6dliche Utopieu201c (Bilder Texte Dokumente, Daten zum Dritten Reich), einem Begleitbuch zur Ausstellung am Obersalzberg:
Nach wiederholtem Besuch dieser Ausstellung hatte ich mich an Dr. Dahm gewandt mit dem Hinweis, dass auf die Vorgeschichte, die zur Nazi-Epoche gefu00fchrt hat, dort leider nicht eingegangen wird.
Er antwortete mir zustimmend. In seinem Schreiben heiu00dft es u.a.:
u201eDa ich mit Ihnen einer Meinung bin, dass Hitlers Aufstieg ohne die Krise der Weimarer Republik nicht denkbar wu00e4re und auch darin mit Ihnen u00fcbereinstimme, dass diese Krise eine Hauptursache im Versailler Vertrag hatte, werden wir Ihre Monita zum Anlass nehmen, in der Sektion Auu00dfenpolitik Inhalt und Folgen des Versailler Vertrages entsprechend herauszustellenu201c.
Meine Antwort, Dezember 2004:
Sehr geehrter Herr Dr. Dahm,
vielen Dank fu00fcr Ihre Antwort, sie hat mich erfreut.
Nachstehend gehe ich kurz auf Ihre Kommentierung zu einigen Punkten ein, die m.E. einer Ergu00e4nzung bedu00fcrfen:
1. Gebietserwerbungen
Der Vorsatz, die “Fesseln von Versailles” abschu00fctteln, bestimmte die gesamte
deutsche Auu00dfenpolitik von 1919 bis 1933.
Nach seiner Reichstagsrede vom 12.Mai 1919 sagte Scheidemann u.a.: “…wird dieser Vertrag wirklich unterschrieben, so ist es nicht Deutschlands Leiche allein, die auf dem Schlachtfeld von Versailles liegenbleibt…”. In Konsequenz seiner Worte trat der Ministerpru00e4sident der jungen Weimarer Republik zuru00fcck. Er wollte nicht die Verantwortung auf sich laden, der “Versklavung des deutschen Volkesu201c zu dienen.
Obwohl sich die Welt der Existenz des durch Versailles geschaffenen Explosivstoffes bewusst war – in der Vu00f6lkerbundakte wurde eine Revisionsklausel aufgenommen, welche sinngemu00e4u00df vorsah,
den Vertrag einer Nachpru00fcfung zu unterziehen, sollte dessen Aufrechterhaltung den Weltfrieden gefu00e4hrden – , fand bis zum Machtantritt Hitlers eine entsprechende Nachpru00fcfung nicht statt.
Es musste erst Hitler kommen, um z.B. u00d6sterreich und dem Sudetenland das
Selbstbestimmungsrecht wieder zuru00fcckzugeben.
Daher wu00e4re Hitler ohne Versailles undenkbar. Versailles ist somit nicht nur die primu00e4re Ursache des 2. Weltkrieges, sondern zugleich auch Ursprung der
Nationalsozialistischen Bewegung.
Die “durchgefu00fchrten Gebietserwerbungen” sollten m.E. auch unter diesem Aspekt in der Ausstellung dargestellt werden.
2. Zur “Konstellationstheorie”
Zwischen Versailler Vertrag, den Reparationen, der Weltwirtschaftskrise und der Massenarbeitslosigkeit besteht ein kausaler Zusammenhang; es bedarf m.E. keiner Theorie, um diese konsequente Entwicklung zu erklu00e4ren.
a) Reparationen
Im “Londoner Ultimatum von 1921” wurden vom Dt. Reich 123 Mrd. Goldmark als Restschuld und eine ju00e4hrliche Abgabe i.H. von 26% des Wertes der dt. Ausfuhr verlangt. Da Deutschland mit den Holz- und Kohlelieferungen ru00fcckstu00e4ndig geblieben war, besetzten Anfang 1923 franz. und belgische Truppen das Ruhrgebiet. In der Folge kam es zum Zusammenbruch der deutschen Wu00e4hrung (Inflation).
b) Weltwirtschaftskrise
Die Ursachen des Kurssturzes an der New Yorker Bu00f6rde 1929 lagen in der durch den Versailler Vertrag bedingten Stu00f6rung eines natu00fcrlichen Ausgleichs und in einer nicht rechtzeitig erkannten monetu00e4ren Expansion in den USA an der auch Deutschland durch eine erhebliche Kapitaleinfuhr teilgenommen hatte. Denn bei den Reparationszahlungen ergaben sich Schwierigkeiten durch das Transferproblem: Zur Erfu00fcllung dieser Verpflichtungen mussten Darlehen aus dem Ausland (bes. aus den USA) in Anspruch genommen werden. Es fehlte jedoch an der Erkenntnis der Siegermu00e4chte, dass von Deutschland nur so viel an Zahlungen erwartet werden konnte, wie die Zahlungsempfu00e4nger bereit waren, selbst an Warenlieferungen anzunehmen.
Deutschland konnte sich aber nicht die erforderlichen Devisen beschaffen, da – auch wegen der hohen Schutzzu00f6lle – keine Auu00dfenhandelsu00fcberschu00fcsse zustande kamen.
Somit fu00fchrte die hohe Verschuldung, gekoppelt mit dieser Transferkrise, zur Weltwirtschaftskrise. (Der Youngplan lu00f6ste 1930 den Dawesplan ab.)
c) Massenarbeitslosigkeit
Die sozialen Folgen der Weltwirtschaftskrise haben insbesondere Deutschland schwer getroffen. Es kam zur Massenarbeitslosigkeit.
Das Elend, das sich nun ausbreitete, hat dann erheblich zur politischen Radikalisierung beigetragen. In dieser Situation erkannte Hitler seine Chance!
3. Entstehung der grou00dfen Popularitu00e4t Hitlers
Das damalige statistische Reichsamt bezeichnete das gesamte Jahr
1932 als “Depression” und erst die zweite Hu00e4lfte 1933 als “Erholung”. Diese unglaubliche Wende war die entscheidende Voraussetzung fu00fcr die Stabilisierung des NS-Regimes und die Unterstu00fctzung von Hitlers Politik durch die u00fcberwiegende Mehrheit des Volkes (u00fcber 90%).
Nach katastrophaler wirtschaftlicher Lage in den letzten Jahren der Weimarer Republik ist es Hitler gelungen, die Massenarbeitslosigkeit innerhalb der nu00e4chsten 4 Jahre zu beseitigen.
Ich ersetze also Ihren Terminus “Desorientierung in der deutschen Gesellschaft infolge des Zusammenbruchs der Monarchie” durch den o.a. Begriff der Depression, die das Volk erfasst hatte.
Ausgehend von der Tatsache, dass das offizielle, gu00e4ngige Geschichtsbild sich nicht immer mit der historischen Wahrheit deckt, habe ich mir erlaubt, meine Monita durch diese Hinweise zu ergu00e4nzen.
Es freut mich, dass Sie die Krise der Weimarer Republik, die auf den Versailler Vertrag zuru00fcckzufu00fchren ist, demnu00e4chst in geeigneter Weise als die Ursache des Dritten Reichs herausstellen wollen.
Jedes Land kann ohne die Schuld seiner Menschen einen Hitler erzeugen. In Russland hielt Stalin als ein solcher Teufel Einzug. Auf sein Konto geht ein unglaubliches Verbrechen: Der Massenmord mag in der Gru00f6u00dfenordnung von 50 – 60 Mio. liegen, wie es nachgewiesenermau00dfen in der Sowjetunion der Fall war. Leider hat aber dieses Thema bisher noch keinen Platz in einer Ausstellung gefunden.
Fu00fcr die anstehende Revision der Dokumentation Obersalzberg wu00fcnsche ich Ihnen eine glu00fcckliche Hand, auf dass die junge Generation endlich einmal offiziell erfahren kann, dass ihr deutsches Blut nicht von schlechtem Blute kommt, wie das durch den Holocaust suggeriert wurde. Die Ausstellung darf einem anderen Eindruck keinen Vorschub leisten!
MfG Gu00fcnter Seiz