Dem Papst die Leviten gelesen
2010/04
Prof. Hans Ku00fcng hat nach 5ju00e4hriger Amtszeit dem Papst die Leviten gelesen und die Bischu00f6fe aufgefordert, ihm nicht mehr zu folgen. Gehorsam sei nur Gott allein geschuldet.
Von 1962-65 waren Ku00fcng und Ratzinger die beiden ju00fcngsten Konzilstheologen, sie waren befreundet und vertraten hinsichtlich der nu00f6tigen Reformen dieselben Ansichten. Sie waren als Kollegen an der Universitu00e4t Tu00fcbingen, bis ihr gemeinsamer Weg sich trennte: Der eine Professor blieb als eifriger Ku00e4mpfer fu00fcr Religionsfrieden und Weltu00f6kumene dieser Linie treu, wu00e4hrend sich Ratzinger in Rom zum Opportunisten entwickelte, vermutlich mit dem Ziel, einmal selbst Papst zu werden. Als Pru00e4fekt der ru00f6mischen Glaubenskongregation gab er schlieu00dflich dem vermeintlichen Freund einen Dolchstou00df, indem er ihm vom Vatikan aus das kirchliche Lehramt entzog.
Wer, wenn nicht Hans Ku00fcng, ist also berechtigt, sich mit einem offenen Brief an die Bischu00f6fe zu wenden, um sie wachzuru00fctteln und um ihnen vor Augen zu fu00fchren, dass unser neuer Papst die Konzilstexte gegen den Geist der Konzilsvu00e4ter nach ru00fcckwu00e4rts interpretiert. Er stelle sich sogar ausdru00fccklich gegen das Konzil, das nach katholischem Kirchenrecht die hu00f6chste Autoritu00e4t darstellt. Er habe somit die Chance vertan, den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils endlich auch im Vatikan zum Kompass der katholischen Kirche zu machen und ihre Reformen voranzutreiben.
Es ist ein langer Brief, aus dem hier nur Beispiele herausgegriffen werden ku00f6nnen:
– Vertan ist die Annu00e4herung an die evangelischen Kirchen. Sie seien u00fcberhaupt keine Kirchen im eigentlichen Sinne und deshalb seien auch keine gemeinsamen Abendmahlsfeiern mu00f6glich. Dasselbe hatte er bereits als Kardinal vor 10 Jahren in seinem Papier “Dominus Iesus” als Antwort auf die gemeinsam erzielte Rechtfertigungslehre verku00fcndet, dass nu00e4mlich nur die r.k. Kirche den Anspruch erheben kann, allein und unfehlbar Jesus Christus zu vertreten. Mit dieser eklatanten Bru00fcskierung traf er schon damals die evangelischen Christen ins Herz, so dass dadurch allen u00f6kumenischen Bemu00fchungen der Boden entzogen worden ist. Ungezu00e4hlte Menschen haben das Vertrauen in die Kirche verloren.
– Vertan sei auch der vertrauensvolle Dialog mit den Muslimen, sagt Ku00fcng. In seiner Regensburger Rede hatte der Papst den Islam als Religion der Gewalt und Unmenschlichkeit karikiert und damit Misstrauen unter den Muslimen bewirkt.
– Benedikts Restaurationspolitik (Wiederherstellung der alten, vor dem Konzil bestehenden Ordnung) sei gescheitert. Alle seine Auftritte, Reisen und Dokumente vermochten die Auffassung der meisten Katholiken in kontroversen Fragen, besonders auch der Sexualmoral, dem Kampf gegen Aids und der Empfu00e4ngnisverhu00fctung nicht zu veru00e4ndern. Er scheint sich zunehmend von der grou00dfen Mehrheit des Kirchenvolkes zu entfernen.
– Es darf nicht verschwiegen werden, sagt Ku00fcng, dass das weltweit in Kraft gesetzte Vertuschungssystem von klerikalen Sexualvergehen von der ru00f6mischen Glaubenskongregation Kardinal Ratzingers (1981-2005)gesteuert war. Noch vor neun Jahren sandte er ein streng geheimes Schreiben u00fcber die schweren Vergehen an alle Bischu00f6fe. Darin wurden die Missbrauchsfu00e4lle unter eine radikale Vorschrift gestellt, bei deren Verletzung man sich schwere Kirchenstrafen zuziehen kann.
Offensichtlich hat Ratzinger von Kardinal Ottaviani, seinem Vorgu00e4nger im Vaikan, gelernt, um die Bischu00f6fe in u00e4hnlicher Form zur Geheimhaltung bei “sexuellem Missbrauch durch Priester” zu zwingen.
Mit der 1962 von Ottaviani verfassten Weisung sollte die r.k. Kirche zum sicheren Haven gemacht werden fu00fcr pedophile Priester (Hu00f6chststrafe: zum LaienBruder degradiert werden), wu00e4hrend die Kinderopfer mit der Androhung der lebenslangen Exkommunizierung unterdru00fcckt wurden, falls sie das “ewige Schweigen” nicht befolgten.
In dem engl. Text (siehe Internet)finden sich ferner Stellen, wie:
Die Richter du00fcrfen vom beschuldigten Priester nicht verlangen, einen Eid auf seine Aussagen zu tun. Falls er vom Tribunal schuldig gesprochen wird, muss er versetzt werden.
Dies ist endlich eine Erklu00e4rung, weshalb manche Bischu00f6fe sich in Zuru00fcckhaltung und Vertuschung bei Gewalt und sexuellen Vergehen innerhalb ihrer Diozu00f6se geu00fcbt haben, ein Verhalten, gegen das die Staatsanwaltschaft ku00fcrzlich mit Erfolg gegensteuern konnte. Auch dem Aachener Bischof ist dieser Vorwurf nicht erspart geblieben.
Hierzu sagt Ku00fcng, dass uneingeschru00e4nkter Gehorsam nie einer menschlichen Autoritu00e4t, also auch nicht dem Papst geschuldet ist. Die Bischu00f6fe du00fcrften sich deshalb durch ihren Eid nicht gehindert sehen, gegen den Willen des Papstes die Wahrheit zu sagen u00fcber die vielen krisenhaften Entwicklungen der Kirche und die dazugekommenen himmelschreienden Skandale.
– In dem aus dem Mittelalter stammenden Zu00f6libatsgesetz sieht Ku00fcng ein besonders heikles Problem. Eine u00c4nderung gegen den Willen Roms scheine beinahe unmu00f6glich. Trotzdem seien die Bischu00f6fe nicht zur Passivitu00e4t verurteilt: Ein Prister, der zu heiraten gedenkt, mu00fcsste nicht automatisch von seinem Amt zuru00fccktreten, wenn Bischof und Gemeinde hinter ihm stehen. Einzelne Bischofskonferenzen ku00f6nnten mit einer solchen Lu00f6sung vorangehen. Aber besser wu00e4re es, eine gesamtkirchliche Lu00f6sung anzustreben. Deshalb sollten die Bischu00f6fe ein neues Konzil fordern.
“Dies ist angesichts einer Kirche in der Krise mein Aufruf an Sie, verehrte Bischu00f6fe”, schreibt abschlieu00dfend Prof. Ku00fcng.