Dalai Lama, ein zweiter Erasmus
2007/09
Zu Recht wird der Dalai Lama immer wieder u00f6ffentlich geehrt. Er ist sehr beliebt und genieu00dft in weiten Teilen der Welt sogar ein hu00f6heres Ansehen als der Papst.
Nachdem Tibet von China besetzt worden war, und weil Mao wiederholt sein Wort nicht gehalten hatte, musste das geistige Oberhaupt der Tibeter 1959 fliehen, und seitdem muss auch sein Volk leiden.
Erasmus von Rotterdam, einstmals der gru00f6u00dfte und leuchtendste Geist seines Jahrhunderts, sagte: “Der Kluge beschwert sich nicht, der Weise erregt sich nicht; er sieht mit scharfen Augen auf das tu00f6richte Treiben und geht seinen eigenen, beharrlichen Weg”. Seiner u00dcberzeugung nach wu00e4ren alle Konflikte zwischen Menschen und Vu00f6lkern durch gegenseitige Nachgiebigkeit gewaltlos zu schlichten. Des Erasmus Sendung, nu00e4mlich sein Lebensziel, war die harmonische Zusammenfassung der Gegensu00e4tze im Geiste der Humanitu00e4t.
Wie es scheint, ist der Dalai Lama ein zweiter Erasmus geworden. Heute reicht er China die Hand, um eine friedliche Lu00f6sung des Konflikts zu erreichen. Wird ihm das gelingen? Leider muss man das bezweifeln. Denn leider ist es so, dass ein Ideal niemals breiten Volksmassen Genu00fcge tut. Immer wird die Masse durch eine politische Parole, die statt eines Ideals eine Gegnerschaft proklamiert, am leichtesten Anhang finden; denn der Fanatismus kann seine frevlerische Flamme nur zu leicht entzu00fcnden, und bei durchschnittlichen Naturen fordert der Hass schnell sein du00fcsteres Recht: den Krieg.
An diesen Fakten musste auch ein Erasmus scheitern. Von seinem geistigen Vermu00e4chtnis humanistischer Eintracht ist heute kaum mehr als sein Name u00fcbrig geblieben. Wird es dem Dalai Lama einmal ebenso ergehen?